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Ein Wochenende an der Berliner Staatsoper

Die Teilnehmenden des opernKompass 2021.

Zusammen mit der Deutsche Bank Stiftung veranstaltet der Studienkompass seit 2015 jährlich den opernKompass. Er bietet den Jugendlichen die Möglichkeit, Abläufe eines Kulturbetriebes kennenzulernen und neue Berufsfelder zu erkunden. In diesem Jahr kamen 20 Teilnehmende aus ganz Deutschland nach Berlin, um ein Wochenende an der Staatsoper Unter den Linden zu verbringen. Ennada und Angelina haben ihre Erlebnisse an diesen drei Tagen für uns aufgeschrieben.

Proben, Prunk und Passionen 

Ein Bericht von Qatr Ennada Sahraoui und Angelina Schülke

Die Zauberflöte, Rigoletto, Carmen, La Traviata. Die Namen einiger Opern sind auf der ganzen Welt bekannt. Doch was steckt eigentlich dahinter? Wie ist der Opernbetrieb wirklich? Was sind das für Menschen, die auf, neben und hinter der Bühne wirken?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen im Gepäck reisen wir, 20 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus allen Ecken Deutschlands, Mitte September zum opernKompass nach Berlin. Vor uns liegt ein Wochenende voller Begegnungen, Staunen und Kreativität – an keinem geringeren Ort als der Staatsoper Unter den Linden.

Wie tief wir schon gleich zu Beginn in die Welt hinter den Kulissen eintauchen dürfen, wird uns bereits klar, als wir den ersten Fuß in den Probesaal der Berliner Staatskapelle setzen. Dirigentenpult, Schalldämmung, Kontrabässe an den Wänden. Die Stühle nur ein wenig für uns zur Seite geschoben, morgen Früh wird hier wieder eine Probe stattfinden. Vielleicht sogar mit Stardirigent Daniel Barenboim (welcher hier übrigens Generalmusikdirektor auf Lebenszeit ist)! Und auf einmal wird mir so richtig klar: in diesem Räumen werden wir den Profis und ihrer Arbeit so nah sein wie nur selten.

Den Auftakt unseres Workshops bildet eine kurze Vorstellungsrunde. Unter der Leitung von Anja Fürstenberg, der Verantwortlichen für die Junge Staatsoper und damit das Kinder- und Jugendprogramm, tauschen wir uns aus über persönliche Interessen sowie Erwartungen und lernen uns so Stück für Stück ein bisschen besser kennen.

Direkt im Anschluss daran machen wir uns aber auch schon wieder auf den Weg, und zwar dieses Mal durch verwirrend viele Flure und Treppen auf den Spuren der Bühnentechnik. Wer hätte gedacht, dass sich in den Tiefen der Operngebäude ein solches Labyrinth versteckt?!

Von Simone Oestreicher erfahren wir, dass die Staatsoper über gleich drei ausgelagerte Werkstätten in Berlin verfügt, in denen Bühnenbilder hergestellt oder Kostüme angefertigt werden. Tatsächlich gebe es aber auch im Opernhaus selbst eine kleine Werkstatt samt Bühnenmaschinerie, die beispielsweise für das Hoch- und Herunterfahren der Bühne verantwortlich sei.

Wir löchern Simone mit Fragen zu Einstellungsverfahren und Vergütung; bekommen Infos darüber, warum die erste Schicht bereits um 6.45 Uhr beginnt und dass es eine extra Ausbildung für Bühnentischler*innen gibt. Doch irgendwann muss sich auch Simone wieder verabschieden und wir folgen stattdessen der Dramaturgin Jana Beckmann vorbei an Bibliothek, Solist*innengarderobe und weiteren Probenräumen durch das Opernhaus.

„Wisst ihr, was der Unterschied zwischen den Ämtern des Intendanten, Geschäftsführers und Generalmusikdirektors ist?“, fragt sie uns irgendwann, als wir vor dem Büro des Referenten der Intendanz stehen. Schließlich klärt sie uns darüber auf, dass die Intendanz insbesondere für die Programmgestaltung zuständig sei, während sich der Geschäftsführer vorrangig mit allen finanziellen und bürokratischen Angelegenheiten des Opernhauses beschäftige. Der Generalmusikdirektor wiederum wirke ebenfalls bei der Zusammenstellung des Programms mit und entscheide zudem über die Einstellung von neuen Musiker*innen und Sänger*innen.

Auch während dieses Gespräches zeichnet sich recht schnell ab, dass das Interesse unter uns Teilnehmenden an allen möglichen Tätigkeiten rund um das Opernhaus ausnehmend hoch ist und jede Antwort gleich drei neue Fragen entstehen lässt. Doch die Zeit ist begrenzt und umso mehr freuen wir uns daher auf den Sonntag, wenn wir Jana noch einmal ausführlich zu ihrem eigenen Berufsfeld ausquetschen dürfen.

Für den Freitagabend wartet nun allerdings noch eine Überraschung auf uns: das „Festival of Lights“, welches jeden Herbst für 10 Tage in Berlin stattfindet. Klassische Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor aber auch die Staatsoper selbst werden hierfür zur Kulisse für spektakuläre Lichtshows. Und wir sind mitten drin.

 

Der nächste Tag beginnt

Samstagmorgen sind nur wenige die Müdigkeit angesichts der kurzen Nacht losgeworden und dennoch gespannt, was der Tag so mit sich bringt. Und obwohl alle Stationen am Tag sehr viel Spaß machen werden, fiebern viele vor allem dem Abend und damit dem Besuch der Oper „Fidelio“ entgegen. Diesen Namen haben wir zu dem Zeitpunkt schon oft gehört gehabt, aber erst mal geht es hinter die Kulissen und durch die unterirdischen Gänge, vorbei an den Räumen für die Maske hin zur Bühne. Dort sehen wir aber nicht das Bühnenbild von „Fidelio“, sondern das von „Così fan tutte“, das schon für die Probe bereitsteht. Und wie wir erfahren, dürfen wir dieser Probe sogar beiwohnen. Davor nimmt sich der Bühnenmeister Zeit für uns. Er erklärt uns, dass er verantwortlich für Auf- und Abbau ist, in diesem Fall den Abbau der Abendvorstellung und den Aufbau für die Probe, die bald starten wird. Er weist auf den Orchestergraben hin und auf die Decke, mit der man nach Bedarf an den Drähten alles Mögliche hoch- und herunterbefördern könne. Und schon kommt der Einwurf von einem Kollegen. Eine von uns 20 Besucher*innen solle doch bitte den Hut abnehmen. Der Bühnenmeister lacht und erklärt, dass es Theatertradition sei, keine Hüte hinter der Bühne zu tragen, da anstatt der genannten Drähte früher die Aufzüge mit Seilen betätigt worden seien und man so besser sehen könne, wenn etwas von oben herabfalle. Auch Pfeifen dürfe man nicht, das sei ein Zeichen gewesen, dass es irgendwo ein Gasleck gäbe, mit dem die Beleuchtung betrieben wurde. Wir erfahren noch viel Interessantes. So zum Beispiel, dass sie nur vier Stunden Zeit hätten, alles bereitzustellen und dass eines der aufwendigsten Bühnenbilder einen Pool beinhalte, in den die Sänger springen würden. Wir sehen noch die Gefängniswand, die zu Fidelios Bühnenbild gehört und setzen dann unseren Weg, gesättigt von Wissen zum Alltag hinter der Bühne, fort. Auch die Probe ist nicht minder spannend, ob es nun wegen der Sänger*innen, der Regie(-assistenz) oder dem Zusammenspiel dieser ist.

Danach geht’s von Pausen unterbrochen weiter mit dem „Theaterpädagogischen Workshop“, von dem wir zuvor nicht genau wissen, wie er ausschauen würde, der aber zu einem weiteren Highlight des Tages wird. Nach einer kurzen Übung, bei der wir uns gegenseitig Wörter zurufen und die uns klarmacht, wie man als Inspizient*in jeden Einsatz jeder Person auf der Bühne kennen und kommunizieren muss, beginnen wir mit dem Stück „Fidelio“. Natürlich wird uns das Ende vorenthalten, damit der Abend eine Überraschung bleibt, aber auch so haben wir mehr als genug Spaß uns in die Personen hineinzuversetzen, zu entscheiden wie sie gehen und sprechen sollen, um dann den ersten Akt durchzuspielen. Dass genau diese Vorbereitung dazu führen sollte, dass uns die Inszenierung komplett überrascht, würden wir erst später erkennen und am nächsten Tag besprechen.

 Teilnehmerinnen bei der Kostümprobe

 

Mit Wraps zum Mittag und nach dem obligatorischen Testen stehen wir ein paar Stunden später wieder vor der Staatsoper Unter den Linden, nur deutlich schicker. Und als wir uns wieder ein paar Stunden später draußen treffen, haben wir viele Fragen für den nächsten Tag. Denn so altmodisch wie wir es uns beim Workshop vorgestellt haben, wurde das Stück nicht inszeniert. Aber die Fragen erst einmal beiseitegeschoben, haben wir heute wieder das Glück auf dem Heimweg etwas vom „Festival of Lights“ mitzubekommen. Auf jeden Fall ein schöner Ausklang des Abends.

Abschluss am Sonntag

Wie heißt es so schön? Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man Spaß hat? Im Falle dieses opernKompasses gilt das ohne jeden Zweifel. Mit Wehmut, aber auch Vorfreude sitzen wir also an diesem Morgen am Frühstückstisch, innerlich noch ganz erfüllt von den Eindrücken und Erinnerungen an den vergangenen Abend. Vorfreude nämlich deshalb, weil uns noch die Gespräche mit der Dramaturgin Jana Beckmann sowie der Regieassistentin Caroline Staunton bevorstehen – definitiv zwei der abwechslungsreichsten aber auch forderndsten Tätigkeitsbereiche an der Oper.

Bei ihrer Arbeit komme es viel auf Fingerspitzengefühl an. Darauf, den richtigen Moment abzupassen, meint Jana Beckmann. „Mit jedem Regisseur ist die Arbeit anders. Als Dramaturgin muss ich immer schauen, wie komme ich frühzeitig an ihn ran, wie kann ich sein Vertrauen gewinnen.“

Dramaturg*innen gehören also zum innersten Kreis der Programmplanung – da erscheint es nicht allzu verwunderlich, dass diese mitunter auch das Haus verlassen, wenn die Intendanz wechselt.

Als Tipp für die Arbeit im Theater- und Opernbetrieb gibt uns  Jana vor allem mit, wie wichtig Praktika und Hospitanzen seien, um Leute zu treffen und Fuß zu fassen. Sie erwähnt allerdings auch, dass es insgesamt nicht allzu viele Dramaturgiestellen in Deutschland gebe. „Man muss den Job schon wirklich aus Leidenschaft machen.“

Etwas, das man bei Regieassistenz Caroline ohne jeden Zweifel spürt. Wenn Sie spricht, sprüht sie vor Begeisterung für das, was sie tut und dabei kann man ihr nur den höchsten Respekt für ihre Arbeit zollen. Die Regieassistenz muss die gesamte Inszenierung eines Stückes im Kopf haben: Szenen, Bewegungsabläufe, neueste Veränderungen – jedes kleinste Detail. Selbst für den Fall, dass eine Solistin oder ein Solist kurzfristig ohne Ersatz ausfällt, ist sie gefragt. Nämlich auf der der Bühne, um den fehlenden Platz einzunehmen, während der Text von der Seite aus eingesungen wird. Damit ist sie meiner Meinung nach nicht nur ein echtes Allroundtalent, sondern vor allen Dingen das, was sie auch selbst über sich sagt: „indispensable“.

Dass die Arbeitsbedingungen in keinem Tätigkeitsbereich an der Oper besonders rosig sind, räumen alle Beschäftigten ein. „In stressigen Zeiten arbeite ich auch mal 80 bis 100 Stunden die Woche“, erwähnt Jana. Und auch, dass man hier nicht wegen des Gehalts arbeite, sondern weil man liebe, was man tue.

Gerade deswegen fand ich dieses Wochenende allerdings auch so außergewöhnlich inspirierend: Es war voller Menschen, die gefunden haben, wofür sie brennen und sich entgegen aller Zweifel für ihre Leidenschaft entschieden haben.

Vielen Dank an die Staatsoper, den Studienkompass sowie an die Deutsche Bank Stiftung und die Stiftung der Deutschen Wirtschaft, die uns ein solch einzigartiges, energiegeladenes Erlebnis ermöglicht haben und natürlich ein ganz herzliches Dankeschön an Martin und Lina für ihre Geduld und wunderbare Betreuung dieses Wochenendes.

Es ist ein Privileg, einen solchen Einblick in den Opernbetrieb zu erhalten und mir wird noch lange im Gedächtnis bleiben, was Caroline am Ende unserer Fragerunde über ihre Arbeit sagte: „Eigentlich ist die Berliner Staatsoper meine ganze Welt.“